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Barbara

DER EWIGE LOCKDOWN

Durch meine Krankheiten bin ich seit vielen Jahren sehr eingeschränkt. Wenn ich rausgehe, dann immer nur im Radius von 15 Minuten zu meiner Wohnung oder zum nächsten Taxistand. Denn sobald ich die ersten Symptome eines Anfalls bemerke, bleiben mir nur diese 15 Minuten, um nach Hause zu kommen, Medikamente zu nehmen und mich ins Bett zu legen. Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohres mit u.a. schweren Drehschwindelattacken. Dazu kommen eine massive Lichtallergie und ein primärer Immundefekt, der dafür sorgt, dass ich für jeden Keim empfänglich bin, der in meine Nähe kommt. Ich sage immer: Das Einzige, was bei mir so richtig funktioniert, ist der Haarwuchs.

 

Das Virus hat mein Leben nur unwesentlich verändert. Es sind ein paar Menschen verstorben, die mir sehr nahe standen. Und ich habe die persönliche Begegnung vermisst. Manchmal hat auch der REWE-Lieferservice nicht mehr so zuverlässig funktioniert. Verständlich, der wurde jetzt ja auch von all den Menschen in Anspruch genommen, die in Quarantäne waren. Also bin ich selbst einkaufen gegangen, meist morgens um sieben, da hatte ich den ganzen Markt für mich allein und war nach zehn Minuten wieder draußen.

 

Ein Gruppenmensch war ich noch nie, das kam mir in dieser Zeit zugute. Als das mit meinen Erkrankungen vor vielen Jahren schlimmer wurde, habe ich mich mehr und mehr zurückgezogen und bin mit 63 in Rente gegangen.

 

Ich kann mich sehr gut mit mir alleine beschäftigen. Das Wichtigste sind für mich meine Bücher und Filme. Ich liebe sinnfreie Actionfilme, die entspannen mich. Und ich habe einen großen Freundeskreis im In- und Ausland, mit dem ich gerne ausgiebig telefoniere. Viele davon kommen wie ich aus dem Umfeld der Medizin.

 

2019 habe ich mich am Grauen Star operieren lassen. Das war eines der wenigen Dinge, die medizinisch richtig gut gelaufen sind. Die ganze Pandemie hindurch war ich glücklich darüber.

 

Familien mit Kindern haben mir im in den letzten Monaten sehr leid getan. Das war eine harte Zeit. Aber bei mir hat sich in dem Sinne nichts geändert. Ich bin mit meinem Leben trotz aller Einschränkungen relativ zufrieden.

 

Was ich mir wünsche? Ich möchte noch einmal nach Sankt Petersburg reisen und ein paar Tage in der Eremitage verbringen. Und vielleicht nach Island.

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24. Juni 2021

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Barbara (76) ist Rentnerin, Leserin, Filmliebhaberin und ein pragmatischer Mensch mit viel schwarzem Humor.

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