Silke
FRAGEN UNERWÜNSCHT
Ich bin keine Impfgegnerin. Ich bin durchgeimpft, genau wie meine Kinder. Auch bei Reiseimpfungen habe ich nie gezögert, den Empfehlungen der Ärzte vertraut. Bis Corona kam.
Anfangs habe ich das Virus unterschätzt. Bloß eine blöde Grippe, dachte ich. Doch plötzlich ging alles ganz schnell. Während ich noch zu verstehen versuchte, was uns da eigentlich heimsuchte, wurde überall ängstlich nach der Ausgangssperre gerufen. Alles stand Kopf. Was war los?
Mich haben Viren schon in der Schule fasziniert. Also fing ich an zu recherchieren, studierte die Zahlen des Robert-Koch-Instituts und anderer seriöser Quellen. Ich stieß auf Ungereimtheiten und fing an, Fragen zu stellen. Ich sprach mit Fachleuten und Ärzten. Aber ich bekam keine Antworten. Jedenfalls keine, die die immer länger andauernden drastischen Maßnahmen der Regierung rechtfertigten.
Wenn ich mit Freunden darüber sprach, stieß ich größtenteils auf Unverständnis. Dass Existenzen zerstört wurden oder Familien über Monate in kleinen Wohnungen eingepfercht waren, interessierte kaum jemanden. Schließlich lebte es sich im eigenen Homeoffice mit Garten ganz bequem.
Auf einen Impfstoff würden wir Jahre warten müssen, hieß es damals. Als dann schon im Herbst der russische Sputnik V auf den Markt kam, wurde er als unseriös belächelt. Kurz danach dann das Biontech-Wunder. Der Jubel war groß und die Skepsis aufgrund der ungewöhnlich schnellen Zulassung verflogen. Und wieder fragte niemand nach. Weder nach Nebenwirkungen noch nach möglichen Spätfolgen. Dass einige nach dem Pieks tagelang krank im Bett lagen, wurde weggelächelt. Ebenso wie Meldungen über Todesfälle. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.
Für mich war das alles befremdlich. Ich verstand, dass man Risikogruppen schützen und dafür auch die Unwägbarkeiten eines völlig neuen Impfverfahrens in Kauf nehmen musste. Aber ausnahmslos jeden zu impfen, ohne abzuwägen? Das konnte und kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Schon gar nicht bei Kindern, die durch das Virus offenbar kaum gefährdet sind.
Die Diskussionen wurden emotionaler, meine Empörung größer. Nicht über die Impfung. Sondern darüber, dass sich kaum jemand ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzte. Nur wenige begründeten ihre Entscheidung mit der Angst vor einer Erkrankung. Das hätte ich verstanden. Die Gründe waren fast immer dieselben: Es machen doch alle, und ich will mein Leben zurück.
Die ersten Bekannten wandten sich von mir ab. Ich war ihnen zu anstrengend. Manche nannten mich „unsolidarisch“, in sozialen Netzwerken landete ich häufig in der Schublade der Corona-Leugner und radikalen Impfgegner.
Irgendwann saß ich heulend da und überlegte, was ich falsch machte. Mir liegt Verschwörungsdenken völlig fern, und ich halte Covid-19 für eine sehr ernste Erkrankung. Aber kritisches Denken ist offenbar nicht mehr erwünscht. Nicht im Freundeskreis und nicht in der Öffentlichkeit. Ich erlebe, dass Grundrechte ausgehebelt und Ungeimpfte unter Druck gesetzt und beschimpft werden. Die meisten nehmen das schweigend hin.
Corona hat mir mein Vertrauen genommen. In unsere Gesellschaft, unseren Staat und unsere Demokratie. Ich wünsche mir sehr, dass irgendwann die Normalität zurückkehrt, vor allem für meine Kinder. Dass wir wieder frei und ohne Zwang über unseren Körper entscheiden dürfen. Und wieder lernen, die Meinung anderer zu akzeptieren. Früher sind Freundschaften ja auch nicht an der Masernimpfung zerbrochen.
Ob mein Vertrauen irgendwann zurückkommt? Ich weiß es nicht.
14. September 2021

Silke (49) ist PR-Beraterin und lebt mit ihren beiden Söhnen in Köln, vorzugsweise in Toleranz und Freiheit.