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Marley

EIN HUNDELEBEN

Also ich kann euch sagen, dieses Corona-Ding war echt krass! Eigentlich haben meine Menschenfreunde sich ja bis heute nicht eingekriegt, mit ihren komischen Maulkörben und Plastikscheiben.

 

Es fing alles damit an, dass wir kaum noch rausgingen. Ständig liefen Nachrichten und Talkshows und alle machten betroffene Gesichter. Wir mussten jetzt Abstand halten, Social Distancing nannten sie das, und Spaß war tabu. Die totale Langeweile! Ihr müsst wissen, dass bei uns immer viel los war. Frauchen hat mich schon als Welpe mit zur Uni und ins Büro genommen. Da waren zwar nicht alle Vorlesungen nach meinem Geschmack, aber die Student:innen freuten sich, mich zu sehen und ich war der Superstar im Hörsaal. Noch lieber ging ich mit ihr zur Arbeit, weil ich dort mit meinem besten Freund Paul abhängen konnte, einem Labrador, der für jeden Spaß zu haben war. Also alles in allem ein cooles Leben. 

 

Und jetzt hockten wir in unserer Einzimmer-Studentenbude und waren schlecht drauf. Auch meine Kumpels in der Hundeschule durfte ich nicht mehr sehen. Wie soll man sich denn da mal so richtig auspowern? Wenn Herrchen abends zu Besuch kam, musste er stundenlang auf dem Bett mit mir Löcherbuddeln spielen.

 

Im Sommer machten wir Urlaub, da stieg die Laune. In Kroatien sahen die das nicht  so eng mit dem Virus und ich dachte schon, der Spuk sei vorbei. Aber nix da, danach wurde alles noch viel schlimmer! Die Masterarbeit stand an. Frauchen klebte jetzt nur noch vor dem Bildschirm. Ich versuchte, sie aufzumuntern und legte ihr unsere Lieblingsspielsachen vor die Füße. Nie war sie in der Stimmung. Stattdessen wurde sie regelrecht gassisüchtig. Und es schien nicht nur ihr so zu gehen: Unsere Strecken waren voller Spaziergänger, die jetzt fast alle diese komischen Masken vor dem Maul trugen. Am Anfang machte mir das Angst. So ein Quatsch, man erkannte ja keinen mehr. Gut, dass wir Hunde von dieser Mode verschont blieben. Stattdessen hingen wir nur noch an der Leine - denn niemand wusste, ob wir Vierbeiner was übertragen können. Also kein Hallo im Vorbeigehen, kein schneller Flirt am Gartenzaun, alles war verboten.

 

Dann kam auch Herrchen nicht mehr zu Besuch, weil er dieses kleine Virchen eingefangen hatte. Alter Schwede, jetzt waren wir auch noch in Quarantäne! Ich durfte morgens nicht mal mehr meine Ration Fleischwurst bei der Nachbarin am Kiosk abholen. Gut dass auf die Frau Verlass war: sie hat uns stattdessen ab und zu Vanilleeis vor die Tür gestellt. Und zum Gassi gehen hat sich auch immer jemand gefunden.

 

Heute geht’s meinem Rudel wieder besser. Wir sind alle zusammen in ein Haus gezogen und, haltet euch fest, wir haben jetzt einen Garten! Das Studium ist zu Ende, Frauchen hat einen neuen Job und ist happy. Die Hundeschule ist zwar immer noch geschlossen und ins Büro nimmt mich auch keiner mehr mit. Aber wir können als Triell durch den Garten toben. Ein paar Tage ist ja noch Sommer und die Sonne scheint vielleicht auch im Herbst. Wer weiß, welche Verrücktheiten die sich im nächsten Winter einfallen lassen?

 

17. September 2021

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Marley (2) ist ein Apricot-Zwergpudel mit viel Temperament und wenig Begeisterung für ein Hundeleben unter Corona-Bedingungen.

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