Laura
REINGETRÖDELT
Die ganze Schulzeit über wird dir erzählt, dass die Wochen nach dem Abi die Zeit deines Lebens sind. Und dann das! Mir wurde diese Glücksphase vorenthalten und das Gefühl, etwas versäumt zu haben, wird mich vermutlich durch mein Leben begleiten. Unseren Jahrgang hat es schlimm getroffen. Wir wurden um unseren letzten Schultag gebracht, konnten weder feiern noch etwas Besonderes erleben und die große Freiheit stellte sich nicht ein. Bis heute habe ich nicht wirklich realisiert, dass ich die Schule abgeschlossen habe.
Am Anfang hatten wir keine Ahnung, welche Ausmaße das annehmen würde. Wir wussten noch nicht einmal, ob die Abi-Klausuren überhaupt stattfinden können. Dass die Schule von heute auf morgen geschlossen wurde, kam uns erst mal entgegen, weil dadurch mehr Zeit für die Vorbereitungen blieb. Keiner dachte daran, dass dieser chaotische 13. März 2020 der letzte Schultag unseres Lebens sein würde. Denn nach den Osterferien haben wir zwar für die mündlichen Prüfungen gelernt, es gab aber keinen Unterricht mehr. Einsam und allein hockten wir zuhause und lernten. Kein Treffen mit Freunden, keine Parties, nur Netflix und dann und wann eine Online-Cocktailparty oder Klamotten-Hall mit der besten Freundin. Voll surreal war das.
Die Zeugnisübergabe fand in getrennten Gruppen und im Freien statt - nicht wie gewohnt feierlich in der Stadthalle. Und der Abiball fiel einfach aus. Eine ganze Weile hatten wir die Hoffnung, dass er Ende des Jahres nachgeholt wird. Aber dazu kam es nicht.
In den neuen Lebensabschnitt bin ich dann einfach so reingetrödelt. Ich wollte reisen und ein Praktikum in der Filmproduktion machen, deshalb habe ich nicht direkt angefangen zu studieren. Aber Praktikumsplätze waren in der Coronazeit rar. Ich wollte auch kein gesundheitliches Risiko eingehen, also bin ich zuhause geblieben. Umso mehr ärgert mich, dass die Politik so wenig konsequent agierte. Die meisten Experten haben den nächsten Lockdown vorausgesagt, trotzdem wurden die Grenzen nicht abgeriegelt. Mit einem harten Lockdown von zwei Monaten hätte sich das alles nicht so unnötig in die Länge gezogen! Aber so kam die zweite Welle und damit der lange Winter in der Isolation. Ich habe gejobbt, mich um einen Studienplatz beworben und viel Zeit verschwendet.
Seit April bin ich Studentin, leider wieder nur online von zuhause aus. Aber nach einem Dreivierteljahr Nichtstun ist es schön, weiter zu lernen und konkrete Aufgaben zu haben.
Ich hoffe, dass es mit den Impfungen jetzt schnell vorangeht, damit endlich das normale Leben zurückkehren kann. Dann werden wir eine Neuauflage der Roaring Twenties erleben, wieder Spaß haben und vielleicht ein wenig von dem nachholen, was wir verpasst haben.
19. Juni 2021

Laura (19) studiert Media: Conception & Production an der Hochschule RheinMain und hat 2020 auf eine sehr besondere Weise ihr Abitur gemacht.