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Katja

WIR SIND DANN MAL WEG

Wir haben schon sehr früh das ‚Lockdownfeeling‘ kennengelernt. Im Februar 2020 hatte sich ein Betreuer an der Schule unserer Tochter mit Corona infiziert. So standen an einem späten Samstagabend drei Mitarbeiter*innen des Technischen Hilfswerks vor der Tür: In Schutzkleidung versteht sich, Outbreak-Feeling inklusive. Unserer Tochter erzählten wir eine kleine Notlüge rund um Karneval, das geht im Rheinland ja immer. Sie hatte sich nicht angesteckt. Aber die Schule wurde geschlossen und wir alle in Quarantäne geschickt: mein Partner, meine beiden Töchter (damals 4 und 6) und ich. 

 

Wir waren jetzt Eltern, Angestellte, Ganztagsbetreuer und Teilzeitlehrer in einem. Gestresst hat uns die Situation alle, die Schule allerdings schien damit am wenigsten zurechtzukommen. Die Lehrer schafften es gerade mal, gedruckte Aufgabenpakete zu schnüren, die wir anfangs noch in der Schule abholen mussten. Meine Eltern im 500 km entfernten Berlin hatten dagegen keine Probleme mit Zoom-Konferenzen. Im Alter von 75 bzw. 76 Jahren haben die beiden pensionierten Lehrer mal eben den Fernunterricht ihrer Enkelin übernommen.

 

Geschätzt sind unsere Töchter in 2020 nicht mehr als 30 Tage zur Schule bzw. in die Kita gegangen. An Sport, Musikunterricht oder Treffen mit Freunden war nicht zu denken. Außer zu den beiden Nachbarskindern gab es keine sozialen Kontakte. Aber: diese Zeit hatte durchaus auch schöne Facetten. Da war plötzlich viel mehr Nähe in unserem Kern-Familienleben. Wir hetzten nicht mehr jeden Morgen mit den Kids zur Schule, ins Büro und durch den restlichen Tag, sondern nahmen alle Mahlzeiten gemeinsam ein und spielten abends zusammen Karten.

 

Als es dann auf den dunklen, nasskalten Winter zuging, waren wir froh, dass wir wie jedes Jahr Urlaub auf den Kanaren gebucht hatten. Und den haben wir von der ersten Sekunde an genossen - beim Baden im Meer, beim Sport machen und beim Sonne tanken. Die Inzidenz auf der Insel war viel geringer als zuhause, und das schlechte Gewissen, das uns so mancher einreden wollte, lächelten wir einfach weg. 

 

Als die Öffnung der Schulen in Deutschland immer unwahrscheinlicher wurde,  verlängerten wir um eine Woche und haben das danach noch vier Mal gemacht. Aus den geplanten zwei wurden zehn Wochen und es fühlte sich alles richtig an. Wir konnten unsere Homeworking- und Schooling-Aktivitäten problemlos auch von dort aus wieder aufnehmen. Und die Kinder liebten es, morgens und abends die Eselfamilie nebenan zu füttern und mit Macho zu spielen, dem Hund der italienischen Babysitterin. Von ihr lernten sie, auf Spanisch ihren Kakao und ein Baguette zu bestellen. Dass wir nur ein paar T-Shirts und kaum Spielsachen dabei hatten, störte niemanden. Irgendwann waren wir Teil dieses kleinen Surfer-Dorfes mit seinen 200 Einwohnern.

 

Diese Erfahrung hat uns deutlich entspannter gemacht, als Familie, als Eltern, als Berufstätige. Ich glaube daran, dass die Idee vom digitalen Nomadentum in zehn Jahren eher die Regel als die Ausnahme sein wird. Jetzt müssen wir nur noch unsere Schulen auf den Stand der Zeit bringen. 

 

18. August 2021

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Katja (41) ist Mutter zweier Töchter und Expertin für Team- und Organisationsentwicklung bei der Deutschen Telekom.

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