Annett
OUT OF AFRICA
Im August 2014 habe ich während einer Safari mein Herz verloren: an das wunderschöne Land Tansania und die überwältigende Freundlichkeit seiner Bewohner, von denen viele in sehr bescheidenen Verhältnissen feststecken. Ich flog zurück nach Deutschland, aber ein Teil von mir blieb dort. Im April 2017 habe ich zusammen mit Verwandten und Freunden den Verein Hand in Hand for Tanzania e.V. gegründet, der sich für die Verbesserung der dortigen Lebensbedingungen engagiert. Mit zahlreichen Projekten unterstützen wir Familien und Kinder vor allem in den Sektoren Bildung und Gesundheit.
Ich investiere seit Jahren meinen gesamten Jahresurlaub in diese ehrenamtliche Tätigkeit und fliege einmal pro Quartal für zehn Tage nach Ostafrika. Es ist nicht immer einfach, die Vereinsarbeit und meinen Beruf als Diplomkauffrau in einem Kölner Wirtschaftsforschungsinstitut unter einen Hut zu bringen. Aber wenn ich am Kilimanjaro Airport ankomme und diesen landestypischen Geruch einatme, dann weiß ich, wozu ich all die Strapazen auf mich nehme.
Anfang 2020 kam die Pandemie und die weltweite Einstellung des Flugverkehrs. Lange blieb unklar, wann wir wieder zu unseren Freunden würden gelangen können, und ich war unendlich traurig. Die Steuerung der Maßnahmen aus der Ferne erwies sich als schwierig. Unsere Kooperationspartner vor Ort haben uns zwar geholfen, aber überall herrschte große Unsicherheit.
Dazu hat auch die fragwürdige Haltung von Präsident John Magufuli beigetragen. Im April 2020 hatte der populistische Staatschef das Land zur covidfreien Zone erklärt. Nachdem angeblich eine Ziege und eine Papaya positiv getestet worden waren, bezeichnete er diese Form der Diagnose pauschal als unzuverlässig. Neuinfektionszahlen wurden seitdem nicht mehr veröffentlicht. Stattdessen hat Magufuli auf göttliches Wohlwollen und Kräuterkuren gesetzt. Durch einen dreitägigen Gebetsmarathon sollte das Virus besiegt werden. Ausländischen Impfstoff akzeptierte er nicht und freute sich über Corona-Leugner aus aller Welt, die die Insel Sansibar zu ihrem Zufluchtsort erkoren hatten.
Ich war im Juli 2020 zum ersten Mal wieder da - und vieles war anders. Zahlreiche Menschen hatten ihren Job verloren, weil die Touristen ausgeblieben waren. Wir mussten einige Aktivitäten auf Eis legen, zum Beispiel Nähprojekte, weil dabei zu viel physischer Kontakt erforderlich gewesen wäre. Und doch genoss ich es, zurück zu sein. Der Umgang mit der Situation war entspannter und es tat gut, nicht dauernd die neuesten Inzidenzwerte um die Ohren gehauen zu bekommen. Aber dieses Gefühl der Freiheit war natürlich trügerisch.
Präsident Magufuli ist im März 2021 gestorben, angeblich an einer Herzerkrankung. Viele sagen, er habe sich mit dem Virus angesteckt. Seine Nachfolgerin steht für einen Kurswechsel und hat im Sommer die erste Impfkampagne gestartet. Auch öffentliche Versammlungen hat sie verboten. Trotz dieser Wende ist die epidemiologische Lage in Tansania immer noch schwer einschätzbar. Aber die politische Entwicklung stimmt mich optimistisch. Der nächste Flug ist für Januar gebucht und mein Wunsch, die Geschicke dieses Landes mitzugestalten, ist ungebrochen.
Ich träume davon, dort im nächsten Sommer mit der ganzen Familie meinen 50. Geburtstag zu feiern. Alle wollen kommen.
26. November 2021

Annett (49) ist Vorsitzende des Vereins Hand in Hand for Tanzania. Die coronabedingten Reisebeschränkungen machten ihr sehr zu schaffen.