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Alexander

EINFACH MACHEN

Als Familienunternehmer mit vierzig Mitarbeitenden bin ich es gewohnt, auf mich allein gestellt zu sein. Wie jeder andere wusste auch ich nur aus dem Fernsehen, dass Deutschland zwei Tage später in den Shutdown gehen würde. Mir blieben ein Wochenende und eine Wanderung auf der Schwäbischen Alb, um zu überlegen, was zu tun war. Alle nach Hause zu schicken, wäre die einfachste Lösung gewesen. Aber auch die richtige?

 

Ich beschloss, den Betrieb am Laufen zu halten und meiner Verantwortung gerecht zu werden: erstens für die Gesundheit meiner Mitarbeiter, zweitens für die wirtschaftliche Absicherung des Unternehmens und der Arbeitsplätze und drittens gegenüber der Gesellschaft.

 

Zum Schutz der Beschäftigten führte ich die Homeoffice-Regelung ein und investierte in die notwendige Ausstattung. Es blieb immer eine Hälfte zuhause, die andere war vor Ort. Die Arbeitszeit haben wir flexibilisiert und jeder konnte seinen Aufgaben nachkommen, wann und wo er wollte. Im Firmengebäude sorgten wir für die kompromisslose Einhaltung der Hygieneregeln und sobald medizinische Masken verfügbar waren, bekam jeder ein Starterpaket mit fünfzig Stück und ein zweites, um sie im Familien- und Freundeskreis zu verteilen. Später ließen wir uns alle zwei Mal pro Woche testen und ich verhalf denen, die es wünschten, schnellstmöglich zu einer Impfung.

 

Die körperliche Gesundheit war jedoch nur eine Seite der Medaille. Bald wurde klar, dass in Zeiten großer Unsicherheit die Informationen der abendlichen Talkshows nicht ausreichten. Es waren konkrete Ansagen gefragt. In Zeiten der Krise braucht es Personen, die zuhören, Orientierung geben, aber auch Entscheidungen treffen. Ganz wie früher im Dorf der Pfarrer, Lehrer oder Bürgermeister. Diese Rolle nahm ich an und richtete beispielsweise eine WhatsApp-Gruppe ein, über die ich bis heute regelmäßige ‚Corona-Updates’ verschicke. Eine Maßnahme, die geschätzt wird. Nach einigen Wochen erhielt ich von der Mitarbeiterschaft einen großen Geschenkkorb als Dankeschön für die schnelle und unkomplizierte Kommunikation. Angeblich lasen sogar viele Familienmitglieder mit.

 

Ich habe mich mit anderen Unternehmern ausgetauscht, das war gut und hilfreich. Vonseiten der Politik jedoch gab es praktisch keine Unterstützung. Die Behörden stellen Regeln auf und kontrollieren deren Einhaltung, haben aber offenbar nicht gelernt, nachzufragen und unbürokratisch zu helfen. Stattdessen lebst du in der ständigen Sorge, dass du im Rahmen einer Kontrolle vom Ordnungsamt oder der Gewerbeaufsicht Ärger bekommst, weil du zum Beispiel den Hygieneplan nicht vorschriftsgemäß in der Kantine ausgelegt hast.

 

Ab einem bestimmten Punkt war mir das alles einfach wurscht. Ich hatte keine andere Wahl mehr, als auf Gießkannenregelungen zu pfeifen. Mit gesundem Menschenverstand war ich wirksamer und näher bei meinen Mitarbeitern. Arbeitsminister Heil hat sich schließlich auch nicht um uns Kleine oder die Unternehmerverbände geschert, als er mit den Personalvorständen der DAX-Konzerne die Homeoffice-Pflicht diskutierte.

 

Diese Pandemie ist noch nicht vorbei. Aber schon jetzt kann ich sagen, dass sie zwar großen Schaden angerichtet, aber auch enorme Kräfte freigesetzt hat. Wir sind als Team stärker geworden und ich bin jetzt entschlossener denn je, meinen eigenen Weg zu gehen und zu tun, was ich für richtig halte. Krise kann auch Spaß machen.

 

22. Juli 2021

Alexanders Lockdownskizze

Alexander (56) führt ein mittelständisches Unternehmen und hat manchmal keine Lust mehr, von der Politik als 'Rückgrat der deutschen Wirtschaft' gelobt, dann aber ständig übersehen zu werden.

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